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Zum Wohle aller: Das Reichsimpfgesetz und der Kampf gegen die Pocken

Der Wert eines effektiven Schutzes gegen übertragbare Krankheiten ist uns seit Auftauchen des SARS-CoV2-Virus und der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie noch einmal neu bewusst geworden.


Seit Jahrtausenden wird die Menschheit von Seuchen geplagt. Bis vor 150 Jahren gab es dabei noch nicht einmal ein Verständnis von den Übertragungswegen und den Ursachen der Krankheitsverbreitung.

Allerdings entstand schon im 18. Jahrhundert eine Ahnung davon, dass es Schutz vor Ansteckung durch Impfung mit Krankheitserregern geben kann. Die ersten Versuche einer vorsorglichen Infektion mit Pocken reichen mehr als 200 Jahre zurück.

Im Jahr 1796 gelang dem Engländer Edward Jenner dann der wissenschaftlich fundierte Nachweis, dass eine Infektion mit Kuhpocken einen Schutz vor einer Ansteckung mit Pocken gewähren kann.


Erste staatliche Impfanordnungen sind im deutschsprachigen Raum ab dem Jahr 1807 begannt. Das ist kein Zufall. Denn mit den Napoleonischen Kriegen verbreiteten sich mit dem umherziehenden Armeen auch die Pocken.


Auch das im Jahr 1874 eingeführte Impfgesetz für das Deutsche Reich hatte eine wesentliche Ursache in einem Krieg. Denn mit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und der dadurch ausgelösten massenhaften Mobilität kam erneut eine Pockenwelle auf. Dabei zeigte sich der Vorteil einer Impfung deutlich. Denn während auf Seite der deutschen Armeen nur 278 Tote durch Pocken registriert wurden, sollen es auf französischer Seite 23.000 gewesen sein. In den meisten deutschen Armeen war eine Impfung Pflicht.


Zur Pflicht wurde mit dem Reichsimpfgesetz die Pockenimpfung dann für alle Einwohner. Ab dem 1. April 1875 musste jedes Kleinkind eine Impfung erhalten. Eine Auffrischungsimpfung war in der Schulzeit vorgeschrieben. Diese Impfpflicht galt bis in das Jahr 1975. Das BVerwG hatte bereits in einem berühmten Urteil aus dem Jahr 1958 festgestellt, dass die Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, denn der Wesensgehalt des Grundrechts der körperlichen Unversehrtheit könne nicht durch einen Eingriff angetastet werden, dessen Zielsetzung gerade die Erhaltung der Unversehrtheit ist. Das ist auch heute noch bedenkenswert.


Aus unserer historischen Sammlung: M. Martini: Kommentar zum Reichsimpfgesetz, Leipzig, 1894


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